Einführung der Initiatorin Gertrude Moser-Wagner

Auslöser war das Wort „Zugunruhe“ selbst. Fundort dafür war Ventotene, eine süditalienische Insel im Tyrrhenischen Meer. Beide sind nun thematisch verbunden in der Migration von Vögeln und Menschen – und wie, das erfährt man in dem Buch ZUGUNRUHE (Buchpräsentation am 28.10. 2010, ab 19 Uhr in der Aula der Universität für Bodenkultur Wien – kurz BOKU) aus den Beiträgen von Kunst, Literatur, Naturwissenschaft, Soziologie, Philosophie und den Abbildungen bestehender Werke und Projekte zum Thema. Einige der AutorInnen sind auch beim Symposium tagsüber sowie in der zugehörigen Ausstellung in der Bibliothek der BOKU vertreten.

Das Symposium „Hallo Irrgast – Ausnahmegäste in Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft“ baut auf diesem Buch auf. Es verwendet die Sprache der Ornithologie in ihrem Titel; nimmt sie als eine Analogie, um Bilder im Kopf zu erzeugen und zur Reflexion anzuleiten. Von „Zugunruhe“ sprechen wir, wenn Zugvögel – genetisch bedingt – sich auf ihre Richtung einstellen und heftig im Sitzen zu flattern beginnen, bevor sie abfliegen in ihr Gebiet, aus dem sie intuitiv wieder zurückkehren werden. Und ein „Irrgast“ ist ein solches Individuum, aber fernab von der vorgesehenen Flugroute. Warum also diese geborgten Vokabeln? Menschen wirken, sozusagen aus der Vogelperspektive, wie fehlgeleitet, suchen Ergänzung, Sinn, Profit; und sie bilden eine Ausnahme, sie agieren eben nicht (nur) intuitiv und verfliegen sich oft in ihren Gedanken. Der Faktor Reflexion, der bei den Vögeln unnötig ist, scheint innerhalb der komplexen Gesellschaften in einer globalen Welt heute dringend notwendig geworden zu sein. Der Reflexion ist daher genügend Zeit einzuräumen; noch bevor die Welt materiell zu rasch verbraucht ist. Kunst hat, genauso wie auch die Wissenschaft, Diagnosefunktion, Erkenntnisfunktion. Zugunruhe ist ein Faktum, das der Migration innewohnt. Alles migrierte in unserer veränderlichen Welt schon immer, Bewegung liegt allem Werden zugrunde. Doch der Vogelzug löst unsere Sehnsucht nach der Utopie aus.

Ich danke, im Namen aller Beteiligten, der BOKU für ihr Interesse und das Aufgreifen meiner von außerhalb herangetragenen Idee. Es zeigt, dass an diesem Ort wissenschaftlicher und praxisnaher Studien auch die Kunst und ihr durchaus auch kritischer Diskurs willkommen sind.