– “Irrgäste in allen Disziplinen” – – zu Hause allein im Universum – Best-practise aus dem weiten Feld der Interdisziplinarität

Wall Flowers, Red White © Sabine Maier

Die im Herbst 2009 seitens des BMUKK in der Abteilung V/7 eingerichtete Förderungsschiene für Interdisziplinarität zeitigt Früchte. Ein hoch interessantes Kunst- und Wissenschaftsprojekt, das im November dieses Jahres an der Universität für Bodenkultur/BOKU präsentiert wurde, belegt die Richtigkeit und Wichtigkeit der Implementierung dieser neuen prozessorientierten Förderungssparte.

Seit mehr als 20 Jahren ließ sich eine Entwicklung innerhalb avancierter Kunstproduktion feststellen, die sowohl stark auf Erkenntnissen der Wissenschaft aufbaute als auch das Forschen und die Methodik der Wissenschaft in die Kunst einführte – und der kein adäquates Förderungsinstrumentarium gegenüberstand.

Diese Entwicklung mag als Reaktion auf die allzu strenge Differenzierung und Spezialisierung der Wissenschaftsdisziplinen angesehen werden; es darf aber auch nicht vergessen werden, dass es durch alle Jahrhunderte hindurch sogenannte Universalgenies gab, deren größtes und bekanntestes wohl Leonardo da Vinci war.

„Hallo Irrgast“ lautete der einladende Titel einer Ausstellung und eines Symposiums, die Ausnahmegäste aus Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft in der Aula und der Bibliothek der BOKU vereinten. „Irrgast“ (zuweilen auch „Ausnahmegast“ genannt) ist vor allem ein vogelkundlicher Fachbegriff. Er meint Vögel, die gelegentlich in weit von ihren Zugwegen entfernten Arealen anzutreffen sind – dies vermutlich durch meteorologische Einflüsse wie Stürme oder infolge genetischer Ursachen.

Gertrude Moser-Wagner, selbst als Künstlerin seit Jahren trans- und interdisziplinär arbeitend, ist es als Ideengeberin und Kuratorin des Projekts gelungen, das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung, die BOKU und das Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur gemeinsam von der Wichtigkeit, Bedeutung und Schönheit des Vorhabens zu überzeugen.

Das Wort „Irrgast“ und das Bild des Vogelzuges erzeugen Sehnsucht in uns, Wander- und Reiselust; die Zugunruhe der Vögel entspricht dem Drang zur Migration der Menschen. Für beide Gruppen gilt: Es gibt keine Alternative.

In einem hochkarätig besetzten Symposium trugen NaturwissenschafterInnen und KünstlerInnen ihre Positionen vor, die im Anschluss in einer Ausstellung in der Bibliothek der BOKU manifest wurden. Ihnen allen gemeinsam ist der Gedanke der Migration, das Bild des verflogenen Vogels.

Als Ergebnisse prozesshaften Arbeitens hinterließen – erfreulicherweise auch in hohem Maße bei den Studierenden der BOKU – Rauminstallation, Fotografie, Video, Soundarbeit, Projektkunst und Performance von alien production (Breindl/LercherMath/Sodomka), Isabel Czerwenka-Wenkstetten, Judith Egger, Bernhard Kathan, Claudia Mongini, Cynthia Schwertsik, TOYS ON TOUR (Eva Ursprung, Igor F. Petkovic, Maryam Mohammadi, Stefan Schmid), Red White sowie Michael Zinganel/Michael Hieslmayr tiefen Eindruck. Unter dem Titel „Zugunruhe“ erschien ein von Gertrude Moser-Wagner ediertes Buch im Sonderzahl Verlag.

Erkenntniswille stand wohl als Movens hinter all diesen spannenden Werken.

Dr. Gabriele Kreidl-Kala