Erfolgreiche Klagen von PraktikantInnen in Deutschland

Fall 1: Praktikantenausbeutung

Jeder Dritte Praktikant fühlt sich von seinem Arbeitgeber ausgebeutet. Doch mit Blick auf eine gute Beurteilung oder den kommenden Job wird vieles akzeptiert. Eine junge Übersetzerin hat jetzt versucht, ihre Rechte offensiv durchzusetzen.
Etwa jeder Fünfte schafft den Berufseinstieg nach Studium oder Ausbildung nur über ein Praktikum. Von denen wiederum fühlt sich jeder Dritte als billige Arbeitskraft ausgebeutet. Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Potsdam zeigt jedoch: Man kann sich dagegen wehren.

Nach ihrem Studienabschluss als Übersetzerin wollte Magdalena in die Synchronbranche. Der Berufseinstieg gelang ihr nur über ein Praktikum, das sie beim Synchron-Studio Lavendelfilm in Potsdam-Babelsberg absolvierte. Anleitung gab es kaum, stattdessen musste sie eigenverantwortlich Leistung erbringen: Sie übersetzte unter anderem 16 Folgen einer TV-Serie vom Englischen ins Deutsche.

Da Magdalena sich schlecht behandelt und ausgebeutet fühlte, reichte sie nach Ende des Praktikums mit Hilfe der Gewerkschaft ver.di Klage auf Lohnnachzahlung ein.

So eine Klage hat nach entsprechenden Urteilen des Bundesarbeitsgerichts Aussicht auf Erfolg, wenn:

1. während des Praktikums weder eine zusätzliche Qualifikation vermittelt wird noch eine fachlich betreute Ausbildung stattfindet
2. die erbrachte Arbeitsleistung im Vordergrund steht.

Der Richter am Arbeitsgericht Potsdam gab Magdalenas Klage statt und sprach ihr eine Lohnnachzahlung in Höhe von über 11350 Euro brutto zu. Ihre frühere Chefin hat Berufung gegen das Urteil eingelegt – doch Magdalenas Teil-Erfolg hat jetzt schon eine ehemalige Mit-Praktikantin inspiriert, mit der sie eng zusammen arbeitete. Sie hat ebenfalls Klage eingereicht.
Beitrag von: Robin Avram

Fall 2: Klage erfolgreich. Arbeit kostet Geld

Eine ehemalige Praktikantin hat auf die volle Bezahlung für geleistete Arbeit im »Schein-Praktikum« geklagt. Und hat Recht bekommen.

»Der Praktikantin werden allgemeine Aufgaben aus dem Bereich der V. K. GmbH übertragen. Die Vergütung beträgt für diesen Zeitraum pro vollem Monat brutto 375 Euro… Die tägliche Beschäftigungszeit entspricht der betrieblichen Arbeitszeit…« So stand es im Vertrag einer »Praktikantin«. Sechs Monate wollte der Arbeitgeber, ein süddeutscher Fachverlag, eine Hochschulabsolventin als Praktikantin im Rahmen einer 35-Stunden-Woche mit allgemeinen Aufgaben betrauen. Während des Praktikums gab es dann jede Menge Veranstaltungen zu organisieren. Viel Geld sah sie dafür allerdings nicht. Für die gesamte Zeit zahlte die Firma der Klägerin 2.044,35 Euro brutto.

Die vermeintliche Billigarbeiterin hatte aber die Nase voll: Nach Beendigung der Beschäftigung wollte sie eine angemessene Vergütung – und zog vor das zuständige Arbeitsgericht. Sie bekam Recht: Das Arbeitsgericht Stuttgart urteilte, dass ihr Bezüge in Höhe von 7.090,65 Euro brutto zustünden. Das war 2007.

Diesen Urteilsspruch wollte der Arbeitgeber aber nicht auf sich sitzen lassen – und legte Beschwerde ein. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg ist nun aber der Argumentation der Klägerin, reguläre Arbeitnehmerin gewesen zu sein, ein weiteres Mal gefolgt: 375 Euro brutto pro Monat – das sei Lohnwucher.

Die DGB-Jugend sagt: Das Urteil des LAG Baden-Württemberg ist aus mehreren Gründen ein Erfolg: Erstens zeigt es, dass es sich lohnt, nach einem Praktikum zu klagen,wenn man eigentlich regulär gearbeitet hat. Denn dann bekommt man die geleistete Arbeit auch bezahlt. Zweitens ist es ein Signal an die Unternehmen, dass sie sich nicht alles erlauben können – und die Erpressbarkeit von BerufseinsteigerInnen, die bereit sind, erstmal einiges in Kauf zu nehmen, um einen Fuß in die
Tür zu bekommen, auch ihre Grenzen hat. Wir würden uns wünschen, dass noch mehr Leute klagen, denn so kann Unternehmen, die durch »Schein-Praktika« Personalkosten sparen wollen, klar gemacht werden, dass Arbeit bezahlt werden muss – egal, wie man das Ganze nennt

Fall 3: Praktikant klagt 10.000 Euro ein

Unternehmen dürfen Praktikanten nicht wie reguläre Mitarbeiter einsetzen und dann mit einem Minigehalt von wenigen Hundert Euro abspeisen. In diesem Sinne entschied das Kieler Arbeitsgericht zugunsten eines jungen Mannes, der mit niedriger Bezahlung ein Praktikum in einem Altenheim gemacht hatte. Die Richter sprachen ihm für Laufzeit des Vertrags die entsprechende Lohnnachzahlung zu: rund 10.000 Euro.

Das Gericht befand, zwischen ihm und dem Altenheim habe ein Arbeitsverhältnis bestanden. Daher sei die vereinbarte Bezahlung – 200 Euro pro Monat – sittenwidrig gewesen und stelle unzulässigen Lohnwucher dar. “Nicht jeder als Praktikant bezeichnete Beschäftigte ist auch ein solcher”, entschieden die Richter.

Ein Praktikant werde in aller Regel vorübergehend in einem Betrieb tätig, um sich die zur Vorbereitung auf einen Beruf notwendigen praktischen Kenntnisse und Erfahrungen anzueignen. Der Ausbildungszweck stehe im Vordergrund. Überwiege jedoch die für den Betrieb erbrachte Arbeitsleistung gegenüber der Ausbildung, so sei der Beschäftigte unabhängig von der Bezeichnung im Vertrag Arbeitnehmer und als solcher zu bezahlen, begründete das Gericht sein Urteil.

Der junge Mann schloss laut Gericht mit einem Altenheim 2007 für ein knappes Jahr einen sogenannten Praktikantenvertrag. Für den Anschluss sei ihm eine 18-monatige Ausbildung zum Altenpflegehelfer in Aussicht gestellt worden. Der Vertrag habe eine Anwesenheitszeit von 38,5 Stunden pro Woche und einen monatlichen Lohn von 200 Euro vorgesehen. Als der Mann nach Ende des Praktikums aber keinen Ausbildungsvertrag bekam, klagte er für die Vertragslaufzeit die für einen Wohnbereichshelfer übliche Vergütung von 1286 Euro im Monat ein, insgesamt 10.317 Euro.

Das Gericht gab der Klage in vollem Umfang statt, weil es sich bei der Vereinbarung um ein Arbeitsverhältnis handele (Aktenzeichen 4 Ca 1187d/08). Es komme nicht auf den Vertragswortlaut, sondern die praktische Durchführung an. Der junge Mann sei in den Dienstplänen geführt und weisungsgebunden gewesen. Auch stellte das Gericht ein Missverhältnis zwischen der Dauer der eigentlichen Ausbildung zum Altenpflegehelfer und des angeblichen Praktikums fest. Es erschloss sich dem Gericht nach eigenen Angaben nicht, inwiefern für eine 18-monatige Ausbildung zum Ausgleich etwaiger Defizite ein 17-monatiges Praktikum erforderlich ist.

Das betroffene Seniorenheim hat laut “Flensburger Tageblatt” gegen das Urteil Berufung eingelegt. Der Betreiber weist den Vorwurf des Lohnwuchers und der Ausbeutung demnach zurück.