Auszüge aus dem Glossar:

1 Syntoplexie

Die Kunst der Ratlosigkeit. Sie gedeiht in Biotopen radikaler Dekonstruktion von Theorie und Praxis. Komplexitätswahn und hermeneutische Entropie neutralisieren jedes formale Anliegen, jede kritische Aussage und jedes ästhetische Versprechen. Redundanz rules und löscht jegliche Visualisierung. Kunstwerke existieren nicht mehr.

2 Malmedin

Die Kunst des Nomadischen, Road Art. Sie zelebriert die Praxis des Möglichen und generiert handliche, die Sinne berührende Artefakte im Fokus einer ruralen Convenience. Allzeit mit dabei, immer für einen Moment der herzerwärmenden Erinnerung gut, beweist Malmedinkunst, dass Bewegung (in der Kunst) nicht zwangsläufig etwas mit Veränderung zu tun haben muss – es genügt vollauf, einfach unterwegs zu sein.

3 Lavouriplenkunst

Die Kunst der Ausdünnung. Sie stößt zum innersten Kern, zur Essenz jedes Kunstwerks vor – im materiellen und im metaphorischen Sinn. Die Artefakte werden ausgewaschen, gebleicht, zersetzt, skelettiert bis sie ihre archetypischen Grundzüge offenbaren. Die Vorgänge werden in standardisierten Diskursen reflektiert, der Akt und das Artefakt gleichsam auch „zerredet“, bis die alten überkommenen Wahrnehmungen entweichen und Platz machen für eine neue revolutionäre Sicht auf Kunst.

4 Juhnaulietät

Die Kunst der Persönlichkeitsüberschätzung. Im Geiste des Camp wird die
Überhöhung der romantischen Künstlerfigur bis zum Geht-nicht-mehr vorangetrieben – und schließlich ins maßlose Gegenteil verkehrt. Zu Beginn können modische Eskapaden in Wort, Bild, Ton, Mode, Lebensstil und Körperkult noch Erfüllung versprechen, zuletzt endet der Juhnalienkünstler als weltflüchtiger Träger von Körperprothesen einer ins Abstrakte zielenden Funktionsverweigerung.

5 Traplemantik

Die Kunst der Dämmung. In ihrer Fokusierung auf wärmende Stille verweist sie auf Beuys und Cage. Filz und verwandte Dämmmaterialen kommen in der Ummantelung von allem und jedem als Funktions- und Bedeutungsträger in rituellen Handgreiflichkeiten zum Einsatz. Der Traplemantiker stellt Stille her, er macht Ruhe sichtbar, um sie in den gemeinen Alltag zu tragen. Und sich darin zu verlieren.

6 Dumolär

Die Kunst der Auflösung – und der Wiedergeburt. Die Welt besteht aus Molekülen, Atomen und sonstigem Nanozeug. In diese sucht Dumolärkunst ihre Objekte zu verwandeln – zu vermahlen, zu verbrennen, zu pulversieren, um sie sodann mittels diverser Häute und Därme in nie gesehene Formen zu transformieren. In ihrem Anspruch, sich konsequent an den unlösbaren Fragen der Menschheit durch tätiges Denken abzuarbeiten, beweist Dumolärkunst, dass tatsächlich alles ein Ende hat – nur nicht die Wurst.

7 Zöllitrophismus

Die Kunst der Unterwerfung. Im Akt des maximal devoten, kritiklosen Huldigens einer nicht näher zu hinterfragenden Instanz wird ein rückwärtsgewandtes Kunstverständnis (wieder)geboren. Gerade im Verlust des eigenen Gesichts angesichts irrationaler Heilslehren öffnen sich ungeahnte Ein- und Weitblicke auf das Leben und die Kunst(produktion).

8 Butohphottie

Die Kunst des Gewichthaltens. Die hollistische Performancepraxis im Geiste eines westlich unterwanderten Butoh zielt auf das Equilibrium von Körper, Geist und Energie. Im perfomativen Akt wird exakt jene Menge an Nahrung zugeführt, die der Körper während der intensiven Bewegung verliert; Energiehaushalt und Eigengewicht bleiben konstant. Als dauerhaftes Memento des komplexen Spiels repräsentieren einfache, ausbalancierte Materialien das zugrundeliegende Eigengewicht der Darsteller.

9 Huloquienic Art

Die Kunst ohne den Menschen. Vor- und Nachmenschenkunst. In der Huloquienkunst manifestiert sich ein kollektives (Unter)Bewusstsein des Universums, materialisiert sich das evolutionäre Pathos des Urknalls. Was ist zu tun? Rechnet zurück in der Zeit bis weit vor die Menschwerdung bzw extrapoliert die herrschenden Untergangsszenarien in eine ferne Zukunft ohne homo sapiens. Der Kunstraum, unendliche Weiten…

10 Osmotante Praxis

Die Kunst der Transformation. Alles ist Wandel, außer der Osmotantkunst. Ihr Paradigma lautet: Jedes Ding gilt als Embryonalum, in ihm steckt ein Kunstwerk, das erst zum Vorschein gebracht werden muss. Im Wege einer intellektuellen Fermentation werden den Dingen zunächst kenntlichmachende Eigenschaften ausgetrieben, wobei neben dem Ergebnis bereits der Prozess als Werk zu verstehen ist. Am bekanntesten ist das osmotante Verfahren des Einpflanzens bzw. Beerdigens, das ungeahnte soziale Plastiken während der oft jahrelangen Transformation des „Vorkunstwerks“ entstehen lässt.

Künstlerische Verfahren:

• Verfärben – auswaschen, bleichen
• Zerstören – verbrennen, zermalmen, pulverisieren
• Verpacken – einwickeln, überstricken, in Ballonhüllen oder Papiermaché füllen
• Eintopfen – mit Erde mischen, als Dünger verwenden (damit Neues wächst)
• Einrexen – in Essig einlegen, in Plastik einschweißen
• Modifizieren – anmalen, auskleben, umformen, pressen
• Ergänzen – dazufügen, beschreiben, collagieren