On the Art of Bang. Tanz im Action-Abgrund? Eine Studie zum aktuellen Kill-Bill-Phänomen im Performance Raum

Text und Copyright: Rebecca Schönsee 4.5.2007

Du machst Click und es macht “Bang” – seien es die “Gang Bangs” diverser einschlägiger Internetseiten, oder die killende „Bang Gang“ virtueller Spielplätzen, sei es ein Click für Columbine, oder ein Fenster zur Tagesschau; Click- und Bangwelten verschmelzen; Schatten wie Leiber explodieren in unseren Höhlen. Sogar in den Kunstraum hat diese Action-Obsession Einzug gehalten. Nach einer Phase schweigenden und oft bewegungsarmen Empfindens einer „Präsenz des Absenten“, boomen derzeit Kill-Bill Paraphrasen sprich Paraphrasen auf eine bereits montierte Film- und Mediengeschichte, auf eine Kill-Bill eben. Das kollektive „Bang“-Gedächtnis zieht seine globale Spur durch Performancestätten. Auf der Suche nach dem verlorenen Augenblick durchwandern die Performance-Heros mediale Explosionen.
Das exhibitionistisch-spektakelhafte Kino der Attraktion (Gunning The Cinema of Attractions: Early Film, Spectator and the Avant-Garde. Wide Angle 8.3/4 1986 S. 63–70) erobert die Bühne, während in der verfremdeten Präsentation von optisch frappanten Ereignissen die Bühne zum Zeitlupen-Kino wird. Richard Siegal’s Solo for Janis Brenner, Mathilde Monnier, Mette Ingvartsen seien als Beispiele angeführt.
Ist dies die Rache auf Jahre der No-Manifestos und Tanz-Verneinung, oder bleibt für den Performanceraum gültig, was Quentin Tarantino für Kill Bill unterstreicht nämlich: „It’s all about fusion“? Was fusioniert überhaupt und welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Die vorliegende Studie möchte zeigen, dass diese transformierende Fusion unterschiedlicher Genres nicht nur eine Parabel auf virtuelle Bangwelten darstellt. sondern zugleich als dialektischer Umschlag einer Kunst zu werten ist, die in eine Krise gestürzt ist. Mit dem Zusammenbruch klassischer Repräsentationszusammenhänge durch Phänomene wie sie die Idee des Junkspace beschreibt, kollabierte ein System, dass der Performance nach dem Durchstreichen virtuoser Kunst, der Pose, ja der Aktion als letzte Klippe geblieben war. „Bang“ wird so gesehen auch zum Aufprall im Abgrund.
Es ist abzuwarten, ob sich daraus ein „auf dem Kopf gehen“ ergibt, wie es Celan oder in der bildenden Kunst Baselitz visionieren, oder die Einsicht aus T.S. Eliots Hollow Men dominiert: „This is the way the world ends, not with a bang, but a whimper“.
Zunächst führt der Weg aus dem Horror Vacui über die Zeit. Die physischen Grenzen des der Körpers zwingen im Rahmen des Bühne zu einer Verräumlichung des sekundenschnellen Clicks. Entsteht also eine Katharsis über die Wahrnehmung eines entschleunigten, weil herunter gebrochenen und also körperlich nachvollziehbaren Action-Events? Dies würde die positive Neubesetzung der Pose erklären. Im Rahmen der Bang-Welt friert sie den Körper zu einem Stillleben; nämlich zu einer natur morte und zeigt so die tatsächliche, real-existierende Differenz zwischen Mensch und Marionette. Hier geschieht endlich, was Celan in seiner Büchner Preis Rede andeutet: „Das ist ein Hinaustreten aus dem Menschlichen, ein Sichthinausbegeben in einen dem Menschlichen zugewandten und unheimlichen Bereich – denselben, in dem die Affengestalt, die Automaten und damit…ach, auch die Kunst zuhause zu sein scheinen.“ Diese Defragmentierung von Prozess in Pose ermöglicht zugleich das Auffinden eines Nullpunktes, an dem der Körper schließlich nicht mehr, wie es Bojana Cveijic ausdrückt „als Objekt und Subjekt von Lust gesehen werden kann.“ Stattdessen werden Resourcen für die Neugenerierung von Formen des Stofflichen erschlossen. (vgl. B.C.: to come never undone. In: Etcetera 98, October 2005).
In dem Versuch einer Rückführung aus einer in ihrem Maximierungsdrang entkoppelten Welt der Schnelligkeit und Brutalität in den leibsituierten Raum, erstellt die Kunst Integrale zu den unzähligen Ableitungsfunktionen, die uns beherrschen. „The Art of Bang“ ist zugleich der Ausdruck einer Sehnsucht nach einem Urknall, der eine neue postapokalyptische und zugleich arkadische Welt möglich werden ließe. So wird die Bühne zur Möglichkeit einer Insel (Houellebecq u.a.), zu einem Zeitfenster und zum Erlebnisraum einer schon fast archaisch anmutenden Zeitstruktur.