Das Thema

Das Private meint das, was Angelegenheit, Lebensraum, Eigentum von einzelnen Individuen ist – als Menschen, aber auch als Bürgerinnen und Bürger.

Das Öffentliche ist schwerer zu fassen: Ist es das, was für viele – oder auch für alle – sichtbar und hörbar und damit nachvollziehbar ist – oder sein soll? Ist es das, was viele – oder alle -betrifft? Ist es der Raum, in dem sich alle bewegen dürfen? Gehört dieser öffentliche Raum allen? Und wer gestaltet ihn? Wer hat Einfluss auf das, was öffentlich sichtbar und hörbar wird? Auf das, was als Argument in das Leben der Menschen eingreift? “Krise”, “Krieg gegen den Terrorismus”, “Globalisierung”, “Wettbewerb” usw.

Welche privaten Personen können auf „das Öffentliche“ einwirken? Entsteht auf diese Weise öffentliche Meinung? Durch welche Informationen kommt sie zustande? Welche Machtverhältnisse bestimmen deren Selektion? Und welche Rolle spielt dabei das Gerücht? Welche Funktion hat es in diesen Transformationsprozessen zwischen privat und öffentlich?

Die Antike hat für das „was sich herumspricht“, eine mythologische Verkörperung geschaffen: Fama, die Göttin, das Ungeheuer. Eine geheimnisvolle Figur, die zahllose Künstler inspiriert hat. Dichter – von Ovid und Vergil bis zu Karl Kraus und Christoph Ransmayr – haben ihr ein poetisches Denkmal gesetzt. Beat Furrer hat ihr in seinem gleichnamigen Musiktheater ein Haus gestaltet.

Die Tendenz moderner Gesellschaften, zu archivieren und als technisch vermittelte Information bereitzuhalten, kommt der Wirkungsmacht der Fama entgegen. Bald nach dem Jahr 2000 begann die Formulierung „könnte“ in die bis dahin als Fakten kommunizierten Nachrichtentexte einzusickern. Und inzwischen ist der Einfluss von privatem Blogging auf Informationsströme und damit auf Öffentlichkeit beachtlich geworden.

Gerüchte sind neue Informationen. Sie erregen Aufmerksamkeit, sind vielleicht wertvoll, wenn noch kein anderer davon erfahren hat, ermöglichen einen Vorteil im Handeln, in der Entscheidung – wenn sie wahr sind. Aber sind sie wahr? Das ist nicht überprüfbar, denn Gerüchte sind Nachrichten ohne Quelle.

In Märkten – im Kapitalmarkt, wo es um ökonomisches Kapital geht, wie im Kunstmarkt oder im Wissenschaftsmarkt, wo es um symbolisches Kapital geht, können Gerüchte nicht ignoriert werden. Jeder Markt ist permanent in Bewegung und bietet deshalb nur unvollständige Informationen für das Agieren in ihm. Das völlig unüberprüfbare Gerücht ist daher am wertvollsten, weil sein Neuigkeitswert das Potential für Entscheidungen von größtem Nutzen hat. Umgekehrt sind individuelle Entscheidungen wieder Auslöser von Schwarmverhalten und gestalten damit Öffentlichkeit.